Unser heutiges Motto: Auch vermeidlich gut ausgebaute Landstrassen (auf der Karte wohlwollend als Autobahn markiert) koennen das Letzte von einem fordern.
Nach unserem kleinen Trinkgelage mit Leon, Alvero, Carmen, Daniela und Matias haben heute morgen alle mehr oder weniger die Schaedeldecke zu eng justiert. Besonders Daniela hat es schlimm erwischt. Hoehenkrank, den Magen verdorben und dann auch noch einen Kater. Das schreit geradezu nach einem Hauptgewinn. Um sie noch ein wenig laenger schlafen lassen zu koennen, machen wir uns ohne sie auf ins oertliche Archeologiemuseum und tingeln ein letztes Mal ueber den Marktplatz.
Alvero ist im uebrigen offenbar der juengere Bruder von unserem trierer Comedy Slam Kollegen Nick. Koerpergroesse, Gestig, Sprechgeschwindigkeit und Ironielevel bewegen sich auf erschreckend gleichwertigem Niveau. Ein wirklich netter Kerl!
Den ersten Zwischenstopp auf unserem 400 km langen Heimweg nach Tucuman machen wir in Purmamarca, einem kleinen vertraeumten Bergdorf am Fusse der „Cerro de los Siente Colores“ (Huegel der sieben Farben). Ich schlage mich alleine ein wenig mit der Kamera durch das Oertchen, als mir ein besonders hektischer Tourist auffaellt, der mit seinem Mietwagen wie vom Teufel besessen durch die Gegend heizt, mit einer vollbremsung wieder anhaelt, aus dem Auto hetzt, seine Videokamera zueckt um nach 5 Sekunden des wackelfreien digitalisierens das Ganze wieder von vorne zu beginnen. Mit dem Unterschied, dass er sich jetzt immerhin um 25 Meter entfernt hat.
Die kleine Anhoehe, die ich eigentlich vorhatte zu erklimmen, um mir dort einen guten Blick auf die Berge zu sichern, hastet der gute Mann in rekordverdaechtiger Spitzenzeit hoch, um dort hastig mit seiner Videokamera zu schwenken. Ich stehe am Fuss des Huegels und Staune ueber soviel Arbeitseinsatz. Ehe ich auch nur ausatmen konnte, ist der Kerl auch schon wieder an mir vorbeigehastet und in seinem Mietwagen verschwunden. Wer weiss, vielleicht dreht er ja eine besondere Art von Dogma Film in umgekehrt chronologischer Reihenfolge. Ein Tourist bleibt ein Tourist, bleibt ein Tourist. Wir sind Touristen sobald wir aus unserer Haustuer gehen, aber ich hoffe das ich mich mit meiner Kamera nicht allzu bloede anstelle.
Unser zweiter Zwischenstopp ist das Koenigsthermalbad. Ich taufe es fix um in Overlookhotel. Es liegt etwas abgelegen in den Bergen, an einem der vielen derzeit ausgetrockneten Flussbetten. Da der Himmel momentan bedrohlich bewoelkt ist, verleiht dies dem Kurbad eine zusaetzliche surreale Note. Ich ueberlege wie sich das Ding wohl in Bad Bertrich bei Vollmond machen wuerde. Da essen wir die letzten Wochen so sparsam wie nur irgendwie moeglich und nun sitze ich an einerm Tisch mit Silbertellern, vorbereitetem drei Gaengebesteck und gruseliger zwanziger Jahre Pianomusik. Wo ist Jack Torrence? Ich mache ein Foto. Kevin, wenn du noch eine Stilechte Absteige mit Drakulacharakter suchen solltest, hier bist du goldrichtig. Ein letztes Mal die mueden Graeten gestreckt, ehe es auf die restlichen 350 km Landstrasse nach Tucuman geht.
Meine Guete, diese Landschaft. Selbst in der dritten Woche sind meine Rezeptoren noch nicht ueberlaufen. Im Hintergrund geht langsam aber sicher die Sonne hinter einem Bergkamm unter. Dank der meisterlichen Bewoelkung koennen Michael und ich jetzt dokumentarisch verbrieft behaupten Mordor gesehen zu haben. Was fuer ein Anblick!
Nach 200 gefahrenen Nonstopkilometern spuere ich auf den hinteren Reihen meine Gesaessbacken nicht mehr. Wenn nicht bald so etwas wie eine Raststaette am Horizont auftaucht, rolle ich mich bei voller Fahrt aus der offenen Beifahrertuer und lasse mich in der Pampa lufttrocknen.
Nach der heissersehnten Pause gehen wir das letzte Drittel unseres Weges an. Die urspruengliche Autobahn ist jetzt nur noch eine normale, zweispurige Schotterpiste. Nach 20 Minuten nehme ich den nicht mehr messbaren Sicherheitsabstand kaum noch wahr. Liegengebliebene LKWs werden hier im uebrigen nicht mit einem ISO 4201 Warndreieck gekennzeichnet, sondern ein paar Meter vorher mit grosszuegig aufgestellen, brennenden Oelkaennchen markiert. Vor uns faehrt bereits weit nach Sonnenuntergang der 3572. Hauz ohne jeglicher Beleuchtung. Michi ist begeistert! Dank der blitzschnellen Reaktion von Matias konnten wir einem Frontalzusammenstoss mit einem liegengebliebenem Kleinlaster gerade noch so ausweichen. Schotter ist geduldig. Michi beginnt nun mit seinen Bekreuzigungen.
Auf der wieder besser ausgebauten, mehrspurigen Umgehungsstrasse von Tucuman begegnet uns so ziemlich alles was normalerweise auf einer Schnellstrasse absolut nichts zu suchen hat. Pferde, Raeder ohne Licht, Fussgaenger. Nun gut, Rollstuehle und Krankenbetten habe ich noch keine gesehen, aber ich bin mir sicher mit etwas Geduld, kann man ein paar davon unter dem Bordstein sehen.
Die Kroenung ist ein Zebrastreifen ohne Ampel ueber eine 8 spurige Strasse. Viel Glueck Jungs!
Gerade bekommt Matias eine SMS von Ezekiel. Er wollte wissen ob die beiden Schnitzel noch genuegend Power fuer einen kleinen Umtrunk im Plaza de Almes haetten. Nachdem Michi endlich mit dem benzinbetriebenen Bartschneider von Matias (Marke Braun Enduro) seinen Mund- und Augenbereich freigeschnitten hat, steht dem nichts mehr im Wege.
Morgen werde ich mich auch endlich mal um meine Waesche kuemmern. Was fuer eine Fahrt! Was fuer ein Tag! Alles wird gut.